Carmen Rechberger begleitet Menschen an den wohl prägendsten Momenten ihres Lebens – sei es bei Abschiedszeremonien, Hochzeiten oder freien Taufen/Willkommensfeiern für Kinder. Mit viel Einfühlungsvermögen und Feingefühl schafft sie individuelle Zeremonien, die durch ihre Worte und Rituale berühren und verbinden. Doch neben ihrer Tätigkeit als Zeremonienleiterin ist sie auch Unternehmerin. Im Gespräch erzählt sie von ihrem Weg in die Selbstständigkeit, den Herausforderungen und Chancen als Unternehmerin und warum starke Netzwerke für Frauen so wichtig sind.
Carmen, wie hat dein Weg dich zur Zeremonienleitung geführt?
Als gelernte Fachfrau Verwaltung habe ich mich einst auf eine Stelle als Zivilstandsbeamtin beworben – ich hätte gerne Paare getraut und Beerdigungen organisiert. Doch dann kam das Leben dazwischen: Innerhalb von dreieinhalb Jahren wurde ich vierfache Vollzeitmama.
Während dieser Zeit arbeitete ich in der Stadtbibliothek und später viele Jahre als Fachlehrperson für Religion, Ethik und Gesellschaft. Ritual- und Symbolarbeit waren ein wesentlicher Bestandteil meiner Tätigkeit – ebenso wie heute in meiner Rolle als Zeremonienleiterin.
Mit den Jahren wuchs der Wunsch nach einer neuen Herausforderung. Nach Weiterbildungen in Kommunikation, Stimmbildung, Storytelling und Trauerarbeit entschied ich mich schliesslich für die Ausbildung zur Zeremonienleiterin – ein Weg, der sich ganz natürlich anfühlte.
Du begleitest Menschen in sehr emotionalen Momenten. Was ist dir besonders wichtig, wenn du eine Zeremonie gestaltest?
Das Wichtigste ist, dass sich die Menschen bei mir gut aufgehoben fühlen. Vertrauen ist die Basis, um eine Zeremonie zu gestalten, die wirklich zu ihnen passt. Einmal sagte mir jemand: „Dich könnte man zu beliebigen Personen an einen Tisch setzen, und nach einer Stunde wüsstest du alles über ihr Leben!“ Das trifft es ganz gut – Menschen öffnen sich mir oft sehr schnell.
Meine Zeremonien sind frei von Vorschriften, festen Orten oder religiösen Vorgaben. Jede Rede ist persönlich, jede Zeremonie individuell gestaltet. Oft ergänze ich sie mit symbolischen Handlungen oder Ritualen, die den Moment noch greifbarer machen.
Dich könnte man zu beliebigen Personen an einen Tisch setzen, und nach einer Stunde wüsstest du alles über ihr Leben!
– Unbekannt über Carmen Rechberger
Besonders bei Abschiedsfeiern ist es mir ein Anliegen, die verstorbene Person noch einmal spürbar zu machen. Es ist wie ein Blick zurück in den Spiegel, der den vergangenen Lebensweg mit all seinen Facetten zeigt. Mit einem würdigen Abschiedsritual wird die Person dann an ihrem gewählten Ort zur letzten Ruhe gebettet.
Und bei freien Trauungen ist die Kennenlerngeschichte des Paares zentral, doch der emotionale Höhepunkt bleibt das Eheversprechen. Ich unterstütze die Paare auch dabei, die richtigen Worte zu finden.
Auch die feierliche Aufnahme in die Familie durch eine Willkommensfeier für Kinder ist sehr berührend. Besonders schön finde ich es, wenn Grosseltern sowie Göttis und Gottis sich einbringen, um dem Kind besondere Wünsche für seinen Lebensweg mitzugeben.
Gab es eine Zeremonie, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, die Abschiedsfeier, die ich letzten August im Wald leiten durfte. Pinke Hortensien, ein pinkes Familienband und pinke Stühle – die Lieblingsfarbe der Verstorbenen – waren zu sehen. 120 Trauergäste, gekleidet in bequemen Schuhen und Kleidern, kamen, um die verstorbene Frau auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Einige Gäste brachten sogar ihre eigenen Campingstühle mit. Jeder fand seinen Platz: Einige sassen schweigend und genossen die friedliche Waldatmosphäre und die sanften Klänge aus den Lautsprechern, während sich andere in kleinen Gruppen sammelten und unterhielten.
Abschiedsfeiern in der Natur fühlen sich für mich immer freier und offener an. Es ist, als ob die Seele dorthin fliegen könnte, wo sie möchte. Bei dieser Beerdigung gab es auch ein paar Lacher, was ich sehr schätze. Es verleiht einem traurigen Anlass wie diesem etwas Leichtigkeit und Natürlichkeit und zugleich etwas Alltägliches, was in solchen Situationen nicht oft möglich ist.
Abschiedsfeiern in der Natur fühlen sich für mich immer freier an – als könnte die Seele einfach dorthin fliegen, wo sie möchte.
– Carmen Rechberger
Diese Momente bringen hoffentlich immer wieder Trost und Kraft, wenn die Angehörigen an diesen Tag zurückdenken. Die Dankbarkeit der Angehörigen, ihre Umarmungen und die Rückmeldungen, wie stimmig und schön diese Beerdigung war oder was es mit ihnen macht, wenn sie die Abschiedsrede in Ruhe lesen, haben mich tief berührt.
Wie hast du den Schritt in die Selbstständigkeit erlebt? Welche Herausforderungen begegnen dir?
Ich stecke noch in den Kinderschuhen meiner Selbstständigkeit. Neben finanziellen Einbussen bin ich für jede Entscheidung allein verantwortlich. Gleichzeitig fühlt es sich an, als würde ich neben meiner eigentlichen Tätigkeit zig andere Berufe ausüben – ich bin Content Creatorin, Autorin, Webdesignerin, Werbefachfrau … und die unzähligen Online-Angebote dazu sind oft eher verwirrend als hilfreich.
Trotzdem weiss ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Nur manchmal fehlt mir die Geduld – und ja, auch das Vertrauen. Und ganz ehrlich? Manchmal wird auch der Durchhaltewille auf die Probe gestellt.
Was bedeutet für dich weibliches Unternehmertum im Toggenburg?
Ich bewundere jede Frau, die sich hier selbstständig gemacht hat. Das erfordert Mut, Ideenreichtum und die Fähigkeit, Herausforderungen zu meistern. Jede Unternehmerin trägt zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unserer Region bei und bereichert das Toggenburg mit ihrem Engagement.
Was schätzt du am Austausch mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern?
Die Vielfalt der Frauen ist unglaublich inspirierend – ihre Talente, Visionen und Erfahrungen machen den Austausch so wertvoll. Dank ihrer Kreativität entsteht ein riesiger Wissens- und Erfahrungspool, der uns alle weiterbringt.
Die Vielfalt der Frauen ist unglaublich inspirierend – ihre Talente, Visionen und Erfahrungen machen den Austausch so wertvoll.
– Carmen Rechberger
Frauenförderung ist ein grosses Thema. Was braucht es aus deiner Sicht, damit noch mehr Frauen ihren eigenen Weg gehen können?
Wir Frauen sollten uns viel stärker vernetzen und gegenseitig unterstützen, statt uns als Konkurrenz zu sehen. Frieda & Idda bietet eine wunderbare Plattform, um Frauen sichtbar zu machen und ihnen den Rücken zu stärken.
Gibt es ein Motto oder eine Überzeugung, die dich in deinem Tun leitet?
Ja, ein Zitat von Judi Dench: „We get up in the morning. We do our best. Nothing else matters.“
Vielen Dank, Carmen!
carmenrechberger-zeremonien.ch
Text: Nadja Brändle
Bild: zVg Carmen Rechberger