Barbara Widmer ist diplomierte Pflegefachfrau und Mitgründerin von Pfleg Dehei – einem innovativen Pflegeangebot, das Menschen im oberen Toggenburg direkt zu Hause betreut. Mit viel Erfahrung, Menschlichkeit und Unternehmergeist setzt sie sich für eine persönliche, bedürfnisorientierte Pflege ein. Neben ihrer Tätigkeit bei Pfleg Dehei engagiert sie sich mit dem Projekt Gsund im Grind auch für die mentale Gesundheit im Gesundheitswesen. Im Gespräch gibt sie Einblick in ihren Weg, ihre Motivation – und weshalb es gerade in ländlichen Regionen mutige und vernetzte Frauen braucht.
Du engagierst dich mit viel Herz für Menschen – sei es mit «Pfleg Dehei» oder «Gsund im Grind». Was steckt hinter deiner Motivation, so viel zu bewegen?
Mir ist es wichtig, dass Menschen ein zufriedenes Leben leben und dabei aufblühen können. Es ist mir für meine Klientinnen und Klienten bzw. Patientinnen und Patienten wichtig, für meine Arbeitsgspändli und auch für mich selbst.
Was hat dich bewogen, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen?
Ich hatte viele Ideen und habe keinen Arbeitgeber gefunden, bei dem ich mich voll entfalten konnte. Zudem finde ich es spannend, etwas Neues aufzubauen und von Grund auf neu zu denken.
Ich finde es spannend, etwas Neues aufzubauen und von Grund auf neu zu denken.
– Barbara Widmer
«Pfleg Dehei» bedeutet Pflege und Behandlung zuhause im oberen Toggenburg. Was unterscheidet euer Angebot von den klassischen Spitex-Dienstleistungen?
Wir sind ein sehr kleines Team mit drei Pflegefachfrauen. Dies ermöglicht uns, zum einen für die Klientinnen und Klienten mehr Kontinuität zu gewährleisten und zum anderen erhöht es auch unsere Pflegequalität, da wir uns auf eine gewisse Anzahl Klientinnen und Klienten konzentrieren und uns auch mit unserem ganzen Fachwissen investieren können.
«Gsund im Grind» setzt sich für mentale Gesundheit im Gesundheitswesen ein. Wie bist du zu diesem Projekt gekommen, und was treibt dich an?
Ich und meine Mitgründende haben im Gesundheitswesen hautnah miterlebt, wie wenig in die psychosozialen Fähigkeiten und Kompetenzen investiert wird – sowohl finanziell wie auch zeitlich. Wie wir mit herausfordernden Situationen, dem mentalen und emotionalen Load – egal ob beim Patientinnen und Patienten oder im Team – umgehen, ist oft nur ein Nebenthema oder wird als «logisch» oder «gehört halt einfach dazu» abgetan. Gleichzeitig wird immer wie mehr klar, dass das Fachpersonal im Gesundheitswesen am Limit ist und es Veränderungen benötigt.
Da woll(t)en wir ansetzen. Wir möchten diese Lücke schliessen, indem wir auf die Wichtigkeit von mentaler Gesundheit und den dazugehörigen Kompetenzen aufmerksam machen und Workshops dazu anbieten.
Wie wir mit herausfordernden Situationen, dem mentalen und emotionalen Load – egal ob beim Patientinnen und Patienten oder im Team – umgehen, ist oft nur ein Nebenthema oder wird als «logisch» oder «gehört halt einfach dazu» abgetan. Gleichzeitig wird immer wie mehr klar, dass das Fachpersonal im Gesundheitswesen am Limit ist und es Veränderungen benötigt.
– Barbara Widmer
Wie bringst du die Arbeit bei Pfleg Dehei und dein Engagement bei «Gsund im Grind» zusammen – und wie beeinflussen sie sich gegenseitig?
Mit «Pfleg Dehei» arbeite ich IM Gesundheitswesen, mit «Gsund im Grind» arbeite ich AM Gesundheitswesen. Für mich sind beide Perspektiven wertvoll und helfen mir, mehr zu verstehen und eine bessere Arbeit zu machen. Ich habe selbst zu oft erlebt, dass beratende Personen keine Ahnung hatten von der Branche, in welcher sie tätig waren oder dass ihre Erfahrung veraltet war. Auch wenn ich als Beratende nicht alles wissen muss, finde ich es doch wichtig, dass ich auch «am Puls» bin und miterlebe, was passiert und wo die Herausforderungen sind.
Du agierst als Unternehmerin im Toggenburg – welche Chancen und Herausforderungen siehst du für selbstständige Frauen in ländlichen Regionen?
Die Abgeschiedenheit einer ländlichen Region sehe ich sowohl als Chance wie auch als Herausforderung. Es gibt noch viel Raum für Innovationen und das Bedürfnis für gewisse Angebote und Dienstleistungen ist auch gross – dies habe ich mit «Pfleg Dehei» erlebt. Für die Konkurrenz ist eine ländliche Region oft weniger «lukrativ», deshalb können wir selbst ein Angebot schaffen. Wenn ein Angebot jedoch nicht passt, wird es auch schwieriger sein, sich ausserhalb des Toggenburgs zu positionieren.
Welche Rolle spielt Vernetzung – vielleicht auch im Netzwerk Frieda & Idda – für dich persönlich oder eure Projekte?
Für mich ist ein Netzwerk vor allem eine Stütze oder besser gesagt, mehrere Stützen. Es kann mich unterstützen in konkreten Fragen und Herausforderungen mit der Selbstständigkeit. Es kann mich jedoch auch bei fachlichen Fragen bei meiner Tätigkeit (Intervision) unterstützen und entlasten. Und zu guter Letzt können wir uns auch gegenseitig feiern und helfen, unsere Ideen weiter zu tragen.
Mir wird dies immer wieder bewusst, wenn ich mich mit anderen Selbstständigen austausche, welche kein Netzwerk haben oder nur ein einseitiges. Es kann dir so viel Last abnehmen – und das hat nichts mit Schwäche zu tun. Im Gegenteil, wir müssen nicht alles alleine stemmen.
Hast du eine Vision oder konkretes Projekt, das du in Zukunft gerne umsetzen möchtest?
Ich würde gerne unser Wissen, unseren Ansatz und unsere Tools, welche wir bei «Gsund im Grind» nutzen, in ein Buch verpacken und auch mit anderen Medien an die Menschen bringen.
Gibt es ein Motto oder eine Überzeugung, die dich in deinen Tätigkeiten leitet?
Wir können vielleicht nicht die Welt verändern, aber wir alle haben Einfluss auf unser Umfeld. Mir ist es wichtig, dass ich meine Möglichkeiten, in meinem Umfeld etwas zu bewegen, auch nutze.
Wir können vielleicht nicht die Welt verändern, aber wir alle haben Einfluss auf unser Umfeld.
– Barbara Widmer
Text: Barbara Widmer, Nadja Brändle