Wenn ich heute auf meine 25 Jahre Führungstätigkeit zurückblicke, staune ich manchmal, wie selbstverständlich wir Frauen uns in früheren Zeiten an männliche Muster angepasst haben, um im System zu bestehen. Sprache, Auftreten und ein gewisses Mass an Härte galten als Schlüssel zum Dazugehören. Vieles geschah unbewusst, ohne dass wir es damals gross hinterfragten. Die weiblichen Stärken – Empathie, Kooperation, Nähe zum Menschen – blieben dabei oft im Hintergrund und zeigten sich höchstens in der direkten Teamführung.
Obwohl ich persönlich nie das Gefühl hatte, anders behandelt zu werden, offenbart der Rückblick doch eine stille Falle: jene der Lohnfairness. Wir vertrauten darauf, dass Fairness gelebte Realität sei. Niemand stellte die Frage, ob die Strukturen tatsächlich gerecht waren. Dieses Vertrauen war gross – und vielleicht gerade deshalb trügerisch. Erst mit der Zeit und dem verstärkten Austausch wurde sichtbar, dass Fairness nicht selbstverständlich ist, sondern erarbeitet und eingefordert werden muss.
Besonders wertvoll waren schon damals Frauennetzwerke und der regelmässige Austausch. Sie schaffen Räume der Inspiration und gegenseitigen Unterstützung. Sichtbare Vorbilder in Führungspositionen wirken wie Wegweiser für kommende Generationen: Sie zeigen, dass es möglich ist, Verantwortung zu übernehmen, ohne die eigene Identität zu verleugnen.
Denn heute zeigt sich deutlicher denn je, wie wertvoll weibliche Führungsqualitäten sind. Sensibilität, Zuhören, kooperatives Handeln und ein feines Gespür für das Zwischenmenschliche sind Kompetenzen, die in einer komplexen Welt dringend gebraucht werden. Führung wandelt sich: weg von reiner Anpassung hin zu Authentizität. Weibliche Elemente werden nicht länger versteckt, sondern als Bereicherung erkannt – auch für Organisationen, die nachhaltig und menschlich erfolgreich sein wollen.
Mit diesem Bewusstsein richtet sich der Blick nach vorne. Echte Lohn- und Chancenfairness bleibt ein zentrales Ziel – und sie gelingt nur, wenn Frauen und Männer gemeinsam Verantwortung übernehmen. Es braucht Aufmerksamkeit, konkrete Schritte und die Bereitschaft, eingefahrene Strukturen zu hinterfragen.
Jede Frau in einer Führungsrolle trägt dazu bei, dass der Weg breiter und sichtbarer wird – für alle, die folgen.
– Mirjam Hadorn
Und versteht mich richtig, ich sehe die Zukunft der Führung nicht «männlich oder weiblich». Sie ist vielfältig, menschlich und zukunftsgerichtet. Wenn wir die unterschiedlichen Stärken verbinden und voneinander lernen, entsteht eine Kultur der Zusammenarbeit, die weit über Geschlechterfragen hinausgeht. Eine Kultur, die getragen ist von Respekt, Fairness, Entwicklung und gegenseitiger Unterstützung.
Das macht mich zuversichtlich: Jede Frau in einer Führungsrolle trägt dazu bei, dass der Weg breiter und sichtbarer wird – für alle, die folgen.
Text: Mirjam Hadorn, CEO Klangwelt Toggenburg