Pamela Städler bringt Bewegung ins Toggenburg – politisch, gesellschaftlich und persönlich. Die Gemeinderätin von Lichtensteig ist nicht nur Stellenleiterin der Selbsthilfe St.Gallen Appenzell und Co-Präsidentin des VPOD Ostschweiz, sondern auch im Vorstand von Frieda & Idda für das Veranstaltungsprogramm zuständig. Sie engagiert sich mit Leidenschaft für soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung und echte Begegnungen. Im Gespräch erzählt sie, wie sie ihre vielen Hüte unter einen Hut bringt, was sie Frauen rät, die Verantwortung übernehmen möchten – und warum Freude für sie der Schlüssel zu sinnstiftender Arbeit ist.
Pamela, du bist politisch aktiv, beruflich in einer leitenden Funktion engagiert und gleichzeitig bei Frieda & Idda für das Programm zuständig – wie erklärst du eigentlich jemandem an einem Apéro, was du alles machst?
An solchen Anlässen richte ich mich meist nach dem Interesse meines Gegenübers. Oft ergibt sich über ein Gesprächsthema ganz automatisch ein Bezug zu einem meiner Engagements. Manchmal nutze ich den Apéro aber auch bewusst, um mein Netzwerk zu erweitern – dann stelle ich mich gezielt mit einer passenden Rolle oder Funktion vor. Mehr als zwei, drei Themen spreche ich dabei selten an – sonst wird’s schnell zu viel. In meinem Lebenslauf ist dann natürlich alles vollständig aufgeführt.
Du bist auch Gemeinderätin im Städtli Lichtensteig. Was motiviert dich, dich auf kommunaler politischer Ebene zu engagieren – und was ist dir dabei besonders wichtig?
Ich habe mir Lichtensteig bewusst als Wohnort und somit als Lebensmittelpunkt ausgesucht und habe entschieden, meine Kinder im Städtli grosszuziehen. Meine Lebenswelt aktiv zu gestalten, auf Entscheidungsprozesse direkt Einfluss zu nehmen und meine Kompetenzen einzubringen, das gefällt mir! Die Politik bietet allen Bürgerinnen und Bürger eine breite Palette an Beteiligungsrechten. Diese auch zu nutzen war mir bereits als junge Frau ein Anliegen.
Die Politik bietet allen Bürgerinnen und Bürger eine breite Palette an Beteiligungsrechten.
– Pamela Städler, Leiterin Selbsthilfe St.Gallen und Appenzell, Gemeinderätin Lichtensteig
Wie erlebst du die Gleichstellung im Toggenburg – und wo siehst du konkreten Handlungsbedarf?
Das Toggenburg mit seinen ländlichen Strukturen bietet durchaus einen Nährboden für traditionelle Rollenbilder. Gleichzeitig beobachte ich aber auch Offenheit und Veränderungswille – es tut sich etwas. Damit Gleichstellung nicht nur auf dem Papier existiert, braucht es strukturelle Verbesserungen: den Ausbau von qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungsangeboten, bestenfalls bis hin zu Tagesschulen, und mehr Arbeitsplätze mit flexiblen Modellen. Teilzeitarbeit in Führungsfunktionen sollte zur Selbstverständlichkeit werden. Und nicht zu unterschätzen: Wir müssen starke Frauen sichtbar machen, damit die jüngere Generation mutige Vorbilder findet.
Als Stellenleiterin der Selbsthilfe St.Gallen Appenzell begleitest du Menschen dabei, sich gegenseitig zu stärken. Was macht diese Arbeit für dich besonders sinnstiftend?
Ich schaffe einen Raum, in dem Menschen ihre persönlichen Herausforderungen gemeinsam mit anderen angehen können. Es tut gut zu sehen, wie Betroffene sich gegenseitig stärken, neue Perspektiven entwickeln und aus der Ohnmacht wieder ins Handeln kommen. Manchmal gebe ich einen kleinen Impuls mit, der etwas ins Rollen bringt. Und wenn ich dann höre, wie der Alltag für jemanden wieder leichter wird – das freut mich wirklich.
Es tut gut zu sehen, wie Betroffene sich gegenseitig stärken, neue Perspektiven entwickeln und aus der Ohnmacht wieder ins Handeln kommen.
– Pamela Städler, Leiterin Selbsthilfe St.Gallen und Appenzell, Gemeinderätin Lichtensteig
Welche Themen oder Lebenslagen begegnen dir aktuell am häufigsten – gerade auch mit Blick auf Frauen?
Die Themen, mit denen Menschen zu uns kommen, sind unglaublich vielfältig. Was aber fast immer präsent ist: Alkoholsucht, Depressionen und Trauer. Gerade Frauen suchen oft nicht nur für sich selbst Unterstützung, sondern auch als Angehörige – zum Beispiel, wenn es um psychische Erkrankungen im Umfeld geht.
Was braucht es deiner Meinung nach, damit mehr Frauen den Mut fassen, Verantwortung zu übernehmen – sei es politisch, beruflich oder gesellschaftlich?
Frauen leisten bereits einen sehr hohen Anteil an gesellschaftlicher Verantwortung, bloss bleibt dies in der Öffentlichkeit wenig sichtbar. Man denke beispielsweise an die vielen Stunden an Care-Arbeit, die Frauen unentgeltlich leisten. In der Arbeitswelt braucht es vor allem flexible Arbeitsmodelle im Sinne von New Work und ausreichend bezahlbare Kinderbetreuungsplätze. In der Politik müssen Frauen Mut fassen, um hervorzutreten und ihre Anliegen zu vertreten. Dies benötigt manchmal starke Schulten oder spitzige Ellbogen.
In der Politik müssen Frauen Mut fassen, um hervorzutreten und ihre Anliegen zu vertreten. Dies benötigt manchmal starke Schulten oder spitzige Ellbogen.
– Pamela Städler, Leiterin Selbsthilfe St.Gallen und Appenzell, Gemeinderätin Lichtensteig
Du bist Vorstandsmitglied bei Frieda & Idda und für das Programm zuständig. Was gefällt dir an dieser Aufgabe besonders und kannst du etwas fürs Programm 2026 verraten?
Ich organisiere unglaublich gerne Veranstaltungen – vor allem, wenn dabei Begegnungen entstehen. Bei Frieda & Idda Frauen ins Rampenlicht zu stellen, ist für mich eine echte Herzenssache. Im Toggenburg steckt so viel weibliches Potenzial, da gehen mir die Ideen für spannende Events definitiv nicht aus!
Fürs neue Jahr habe ich wieder versucht, die Wünsche unserer Mitglieder aufzunehmen – sowohl für jüngere Frauen als auch für unsere erfahrenen Wegbereiterinnen. Die Anlässe werden nun nach und nach auf unserer Website aufgeschaltet. Das Programm 2026 wird auf jeden Fall vielseitig und inspirierend!
Gibt es ein persönliches Motto oder eine Überzeugung, die dich in deinem Engagement begleitet?
In meiner Familie gibt es in der Tat ein Motto: «Es ist nicht alles Arbeit, was Arbeit ist». Arbeit ist nur dann beschwerlich, wenn die Freude fehlt. Ich achte bei jedem Engagement darauf, dass eine für mich sinnstiftende Komponente enthalten ist.
In meiner Familie gibt es in der Tat ein Motto: «Es ist nicht alles Arbeit, was Arbeit ist».
– Pamela Städler, Leiterin Selbsthilfe St.Gallen und Appenzell, Gemeinderätin Lichtensteig
Vielen Dank, Pamela!
Selbsthilfe St.Gallen und Appenzell
Text: Pamela Städler / Nadja Brändle
Bild: Silke kleine Kalvelage
